100 Jahre SVP Dielsdorf
Auf der Bellerivestrasse will der Zürcher Stadtrat zwei Fahrspuren aufheben. Dagegen hat ein breit abgestütztes Komitee die Petition «Bellerive staufrei» lanciert. Innert weniger Wochen unterschrieben 10’978 Personen den Aufruf an den Regierungsrat. Auf die grundlosen Sperrungen soll verzichtet werden, damit sich die Verkehrssituation nicht noch mehr verschlechtert.
Geschichte der SVP des Bezirks Dielsdorf
Der grosse Bauerntag in Niederglatt
Das war ein Ereignis: Rund 200 Bauern aus der näheren und weiteren Umgebung versammelten sich am 21. Februar 1915 im Niederglatter Löwensaal. Zwei Vorträge waren angekündigt. Es sprach der Agrarwissenschaftler Dr. H. Volkart von der Eidgenössischen Samenkontrollstation zum Thema „Ackerbau“, sowie der ortsansässige Landwirtschaftslehrer Jakob Trachsler über die Bedeutung und Möglichkeit einer „kräftigeren“ Bauernpolitik.
Beiden Themen waren hochaktuell, denn seit einem halben Jahr stand halb Europa im Krieg. Trachslers Worte fanden aufmerksame Zuhörer: Der Zusammenschluss aller landwirtschaftlichen Vereine und Genossenschaften zu einem kräftigen Bezirksbauernverein war nicht nur nötig zur Förderung wirtschaftlicher Fragen, sondern auch opportun mit Blick auf den starken Bauernstand. Man bestellte daher eine Kommission, welche den Auftrag hatte die Gründungsversammlung vorzubereiten.
Blick von der Kaiserstuhlstrass zum „Gasthof zum Löwen“ um ca. 1920. Der „Latschari-Platz“ war beliebter Treffpunkt der Dorfkinder beim Milchholen vor der Molkerei.
Die Geburtsstunde des Landwirtschaftliche Bezirksvereins
Am 4. Februar 1917, zwei Jahr nach diesem Beschluss war es dann soweit: Die Gründung des Landwirtschaftlichen Bezirksvereins Dielsdorf konnte im „Gasthof zur Sonne“ in Dielsdorf über die Bühne gehen. Zu diesem Zeitpunkt bestand weder eine zürcherische noch eine bernische Bauernpartei. Erst am 4. März 1917 beschloss die Delegiertenversammlung des Zürcher Landwirtschaftlichen Kantonalvereins, seine „Grosse politische Kommission“ durch eine Bauernpartei zu ersetzen, während der Berner Rudolf Minger seine kantonale Partei erst am 28. September 1918 auf die Beine stellte.
Der „Gasthof zur Sonne“ in Dielsdorf im Jahr 1921 – Ort der Parteigründung am 4. Februar 1917
Umbenennung in Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB)
Schon früh erkannte der Vorstand, dass eine Partei, die sich nur auf die eigenen Interessen beschränkt irgendwann mit dem staatsbürgerlichen Bedürfnis nach Zusammengehörigkeit in Konflikt gerät. Im Jahre 1948 war es dann soweit. Die Delegiertenversammlung stimmte einer Umbenennung zur Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei zu. Damit bekannten sich die Landwirte im Bezirk Dielsdorf zur bürgerlichen Politik mit breiter Abstützung. Seit der Wahl 1929 von Rudolf Minger in den Bundesrat bis zur Abwahl von Christoph Blocher im Dezember 2007 war die BGB (bzw. die SVP) ununterbrochen in der Landesregierung vertreten. Die BGB war in den Kantonen Aargau, Baselland, Bern, Freiburg, Schaffhausen, Tessin, Thurgau, Waadt und Zürich vertreten und stellte im eidgenössischen Parlament zur Zeit des Zusammenschlusses 1936 21 National- und 3 Ständeräte.
Heute: Die Schweizerische Volkspartei (SVP)
Heute, 69 Jahre später, lässt sich feststellen, dass unsere Bezirkspartei mit der politischen Entwicklung Schritt gehalten hat. Sowohl der Mitgliederbestand als auch die Zusammensetzung bestätigen die längst vollzogene Öffnung der Partei. Sie politisiert dabei frei von jeglicher Berufsverpflichtung und setzt sich ein, für die Interessen einer breiten Öffentlichkeit. Der eingeschlagene Weg, nämlich eine Mischung aus konservativem und bewahrendem Denken, Schritthalten mit den technischen Entwicklungen und Errungenschaften, sowie der Anerkennung gesellschaftlicher Veränderungen, ist gesellschaftspolitisch zukunftsfähig.
Die Bezirkspartei erlebte in den Neunzigerjahren ein starkes Wachstum der Mitgliederzahlen. Die EWR-Abstimmung wurde zum Debakel für das politische Establishment. Die SVP hingegen erlebte ein starker Zustrom von Mitglieder und Sympathisanten. Im Bezirk Dielsdorf vereinigten sich 57% der Stimmen unter dem führenden Engagement der SVP gegen den Beitritt zum EWR. Mit dieser wegweisenden Abstimmung ist die SVP innerhalb des Bezirks zur wählerstärksten Partei aufgestiegen. Das Wachstum der Bezirkspartei ging auch nach der Abfuhr zum EWR weiter. Bei einem Bestand von über 1‘000 Mitglieder, erzielte die SVP im Bezirk nach der Jahrtausendwende gar einen Wähleranteil von über 43% und verteidigt seither dieses hohe Niveau wacker und mit Beharrlichkeit.
Fritz Bopp, der Bauernführer aus dem Unterland
Fritz Bopp entstammt aus einem urwüchsigen Bauerngeschlecht, das schon um die Mitte des 15. Jahrhunderts in Otelfingen ansässig war und ihm darum auch den Charakter und die Eigenart eines Unterländer Bauern eingeprägt hat, die er neben zäher Arbeit auch in geistiger Regsamkeit entwickelte. Am 14. Januar 1763 wurde Fritz Bopp im „Hinterdorf“ von Dielsdorf geboren, als Sohn des Salomon Bopp, Kleinlandwirt und Viehhändler, und der Katharina Bopp, geborene Lips von Dielsdorf. Hier verbrachte er auch seine Jugendzeit, die mit schwerer Stall- und Feldarbeit nicht besonders rosig war. Drei Geschwister wuchsen mit ihm auf.
Nach der Primarschule und einem Jahr Sekundarschule arbeitete er auf dem elterlichen Hof und während zwei Jahren auch auf dem Notariat Dielsdorf als Kanzleigehilfe. Oft zog er noch vor Sonnenaufgang, die Sense geschultert, hinaus auf Feld und Acker. Kräftig holte er aus mit der Sense, und über den blanken Stahl neigten sich Halme zur Erde nieder. Da hat er wohl die tiefen Gedanken gesammelt, die ihn heranreifen liessen, zu dem was er wurde.
Das Haus, in welchem Fritz Bopp geboren und mit seinen drei Geschwistern aufgewachsen ist, befindet sich an der Hinterdorfstrasse 3 in Dielsdorf. Die schlichte Gedenkplatte ist vom Bülacher Bildhauer Emil Gantner kunstvoll bearbeitet worden, während das Schriftmotiv vom Dielsdorfer Architekt Pit Wyss entworfen wurde.
Mit unermüdlichem Eifer begann er das Fundament, das ihm die Schule geboten hatte, durch Selbststudium aufzubauen. Bis tief in die Nacht hinein sass er jeweils hinter Büchern für Staatsbürgerkunde, Geschichte, Grammatik und Französisch. Er arbeitete mit grossem Fleiss, so dass er sich dank seiner raschen Auffassungsgabe und seinem guten Gedächtnis bald neben akademisch Geschulte stellen konnte. Es zog ihn zum Journalismus. Auch begann sich in ihm eine Ader zum Dichten zu regen. In seinen Gedichten brachte er durch die poetische Form seine Gedanken zum Ausdruck, die eher urwüchsig anmuteten. In seinen naturbegeisterten und kampffreudigen Versen schilderte er die Heimat, die Freiheit und den Bauernstand.
Schon anfangs der neunziger Jahre entstanden die beiden Gedichtsbücher „Fallende Blätter“ und „Dämmerlicht“ aus seiner Feder. Auf Weihnachten 1896 erschien ein weiterer Gedichtsband „Wolken und Sterne“, der dann bald in zweiter Auflage herausgegeben werden musste. Immer mehr kam das kämpferische Gedankengut Fritz Bopps zum Ausdruck, und seine angriffslustigen Artikel in den Lokalzeitungen fanden weit herum Anklang. Im Dezember 1887 übertrug man ihm die Redaktion des „Wehntaler“ Doch schon nach einem Jahr legte er dieses Amt nieder weil er in seinem Umfeld durch den damaligen „Lägernboten“ bittere Anfeindungen erdulden musste. Bopp wechselte später zur „Bülach-Dielsdorfer Wochenzeitung“ – dem heutigen Zürcher Unterländer – und übernahm 1895 die Redaktion.
Seine eigentliche politische Laufbahn begann Fritz Bopp mit der im Jahre 1895 erfolgten den Kantonsrat. Daneben arbeitete er zu Beginn seiner ersten Amtszeit als Dienstknecht in einer Textilfabrik. 1899 heiratete er Elisabetha Meier, Tochter des Hans Konrad, Landwirt, von Bülach. Auf dem kleinen Gut des Schwiegervaters in Bülach arbeitete er als Landwirt bis 1912, als man ihn zum Gerichtspräsidenten des Bezirksgerichts Bülach wählte.
Fritz Bopp war einer der ersten Bauernführer des Kantons. Als ursprüngliches Mitglied der Demokraten, hatte er sich zum Ziel gesetzt, den wirtschaftlich bedrohten Bauernstand zu stärken und eine unabhängige politische Organisation anzustreben. Dabei vertrat er zunehmend eine Abwehrideologie gegen die sozialistischen Tendenzen des Staates und gegen den Filz der Demokraten in den Amtsstuben. Er warnte stetig vor geistiger Überfremdung und Vermassung und stellte gegen diese Bedrohung einen gesunden und starken Bauernstand.
Zur Stärkung des bäuerlich ländlichen Einflusses setzte sich Fritz Bopp für den Proporz ein. Über das Anliegen wurde bereits im Jahr 1911 ein erstes Mal im Kanton Zürich abgestimmt, die Initiative jedoch vom Volk abgelehnt. Im Jahr 1916 kam die Vorlage erneut vors Volk und wurde vom Kantonsrat, welcher unter Kontrolle der Demokraten stand, zur Ablehnung empfohlen. Das Volk stellte sich gegen die Ablehnung. In dieser Zeit distanzierte sich Fritz Bopp zunehmend von den Demokraten und verliess die Partei, ehe er dann als Mitbegründer der kantonalen Bauernpartei im Jahre 2017 figurierte.
Dieses Bild von Fritz Bopp entstammt der einzigen Fotographie aus jüngeren Jahren.
Naturgemäss brachten die nach dem Proporz durchgeführten Wahlen grosse Veränderungen mit sich. Im Kanton Zürich büssten die Liberalen die Hälfte ihrer Sitze ein. Die neu gegründete Bauernpartei gewann auf einen Schlag 45 Sitze und wurde gewichtige Kraft im Rat. Diesem Rat mit den neuen Kräfteverhältnissen gehörte er nur noch bis 1918 an. Fritz Bopp wurde nämlich bereits im April 1915 ehrenvoll in den Nationalrat gewählt welchem er bis 1928 angehörte. In den umsturzbewegten Tagen im November 1918 hielt Bopp an der ausserordentlichen Sitzung des Nationalrates eine zündende Rede gegen den Generalstreik und für die Einigkeit. Er bekämpfte staatssozialistische Tendenzen, vertrat eine klare Sparpolitik und lehnte den Völkerbund ab.
Im Frühjahr 1928 legte Fritz Bopp unvermittelt Amt und Beruf nieder. Es begann ein Zustand der Dämmerung von seinem Leben Besitz zu nehmen. Vergeblich suchte er Heilung, so dass er am 27. Januar 1935 im Krankenhaus Bülach verstarb. So endete das Leben des Zeitungsschreibers, Dichters und Politikers Fritz Bopp, der als Mensch Bauer und Bürger so stark in die Öffentlichkeit getreten ist und sich zum Kämpfer für seine Ideen gemacht hat. In seiner von der Kritik beachteten Lyrik feierte Fritz Bopp traditionelle Werte und Tugenden wie Heimat, Natur, Bauernstand und Bauernarbeit. Seine Aussagen waren weitsichtig und treffend. Die Treffendste ist auch 100 Jahre nach seinem politischen Wirken mit Blick auf Bundesbern aktueller denn je:
„Unserem Land drohte nicht dann die grösste Gefahr, wenn Kanonenschlünde seine Grenzen bedrohten, sondern dann, wenn ausländische Staatsleute unsere Politiker in ein Übermass von Liebenswürdigkeit verstrickten. Dann wie nie gilt für uns: Betet, freie Schweizer, betet!“
4. Februar 2017, Stefan Schmid
Kantonsrat, Präsident SVP Bezirk Dielsdorf